Freitag, 10. Januar 2014

Dem Fremden begegnen

Hoffmann & Campe


Patronatskind No 11

Jamil Ahmad
Der Weg des Falken
Übersetzung: Giovanni und Ditte Bandini
(The Wandering Falcon, 2011)

Jetzt habe ich behutsam in die ersten Kapitel gelesen und bin froh, auf diesen Roman aufmerksam gemacht worden zu sein.

Vor einigen Jahren sah ich einen epischen Film über das Leben in Kriegszeiten zwischen Afghanistan und Pakistan. Daran musste ich denken. Gezeigt in ruhigen langsamen Schwenks wurde die dürftige Landschaft des Grenzgebiets, und allmählich gewöhnte sich das Auge an die eigenartige Schönheit des, zunächst als Mangel empfundenen, Panoramas. Auch hier im Buch hebt die Erzählung mit der Landschaft an: "In der Wirrnis von zerbröckelnden, schartigen, und verwitterten Hügeln, in denen sich die Grenzen des Irans, Pakistans und Afghanistans berühren, ..." karge Landschaft, monate-anhaltende Sandstürme und harsche Stammessitten prägen das Schicksal der Menschen, Soldaten auf einem Aussenposten, Angehörige der Siahpads, dann Belutschen - so wie wir sie im Laufe der Handlung kennenlernen.

Aber Jamil Ahmad legt nicht nur Zeugnis von diesem Leben ab, er ergreift auch Partei, und trifft mich fern im "zivilisierten" Westen, wie er die Verurteilung zum Tode an einer Handvoll Belutschen durch pakistanische Beamten in einem eigenen Absatz anprangert: Kein Journalist nennt das Unrecht, jeder schreibt lieber über die Lage "in Südafrika, in Indonesien, in Palästina und auf den Philippinen". Die Politiker, die reden "weiter über das Recht des Einzelnen, über Menschenwürde, die Ausbeutung der Armen...". Und schließlich holt Ahmad noch einmal aus zu einem Appell gegen die Todesstrafe: "Diese Männer sterben einen endgültigen und totalen Tod. Sie werden in keinem Lied fortleben; keine Denkmäler wird man für sie errichten [ ... ] Was mit ihnen starb, war ein Teil des Belutschenvolkes selbst. Ein wenig von der Spontaneität, mit der sie Zuneigung anboten, und etwas von ihrer Höflichkeit und ihrem Vertrauen. Auch dies wurde vor Gericht gestellt und aufgeurteilt und starb mit diesen sieben Männern."

Das erinnert mich an die Aufzeichnungen zum Leben von Dimitri Schostakovitch, bei denen an eine grausame Begebenheit des zunehmend paranoiden Stalin erinnert wurde: wie er alle umherziehenden Barden einlud zu einem großen Fest, um sie dann alle umbringen zu lassen. Mit diesen Menschen, die aus allen Teilen der Sowjetunion zusammengekommen waren wurde durch pure Willkür ein gewaltiges kulturelles Erbe ausgelöscht.

Der Junge Tor Baz wird am Leben gelassen, aber er ist auf ein Neues verwaist, und die Geschichte nimmt ihren Lauf - auf dem Weg des Falken.

Ich lese das Buch mit Staunen. Sprachlich erinnert es mich an die Schilderungen von Bunin. Ich stimme den Rezensenten Stefan Weidner von Deutschlandradio und Angela Schader von der NNZ besonders zu. (Ihre Zitate sind auf der Verlagsseite unter den Pressestimmen zu finden).

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